Seit über 100 Jahren kämpfen Frauen dafür, menschlich behandelt zu werden im Sinne von „den Männern gleich“! Immer wieder bis in die heutige Zeit fordern wir Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf (incl. Pflege) und natürlich: keine Reduzierung auf „jung, schlank und schön“! Solange keine wirkliche Gleichstellung und Gleichberechtigung erreicht ist, kämpfen wir Frauen natürlich weiter!
Wie haben Frauen ihre Ungleichheit erfahren? Wir haben nachgefragt. Drei Frauen, Drei Geschichten über das Frausein in verschiedenen Generationen zum Internationalen Frauentag.
Margit Hieronymus: Kampf gegen Geschlechterungleichheit
Meine Mutter hat 3 Jungs und 2 Mädchen zur Welt gebracht. Begonnen hat sie 1947 mit einem meiner Brüder, aufgehört hat sie mit mir 1960.
Sie war Jahrgang 1929 und hat auf allen Ebenen den gelebten und gesellschaftlich gewollten und geduldeten Minderwert von Frauen durchleben müssen. Bildungstechnisch sowieso, aber auch im Privaten.
Meine Eltern – Leben auf Augenhöhe
Wirtschaftlich war sie diejenige, die verzichtet hat und die sich beispielsweise die ohnehin geringe Rente hat auszahlen lassen, was damals noch möglich war. Meine Mutter war aber auch so tough, dass sie ihre üblen Frau-sein-Erfahrungen umgemünzt hat, indem sie uns Kindern mitgegeben hat, dass wir alle unabhängig vom Geschlecht gleichwertig sind. Möglicherweise bin ich auch und gerade deshalb Juristin geworden!?
Übrigens hat es damals Männer wie meinen Vater gegeben, für den meine Mutter wie jede andere Frau ein ebenbürtiger Mensch war. Sie haben auf Augenhöhe miteinander gelebt. Ich bin überzeugt davon, dass ihnen diese gegenseitige Wertschätzung und dieses Miteinander auf Augenhöhe 70 gemeinsame Jahre ermöglicht haben!
Erfahrung mit unterschiedlichen Geschlechterrollen
Genauso wie wir in meiner Kindheit noch eine gewisse Rivalität zwischen katholisch und evangelisch massiv kennen gelernt haben, hatten wir uns auch mit einer klar spürbaren Rollenverteilung auseinanderzusetzen.
Ich muss gestehen, dass mich meine Gedanken und Gefühle als Jugendliche und junge Frau oft zerrissen und gequält haben, weil sie nicht zu dem passten, was ich gesellschaftlich mitbekam.
Schon gar nicht wollte ich „irgendetwas“ (egal, du heiratest ja sowieso …) beruflich lernen, dann heiraten, Kinder kriegen und den Haushalt erledigen. Schrecklich war diese Vorstellung.
Also nahm ich mir vor, eine akzeptable und mich interessierende Ausbildung zu machen und familien- und kinderlos, mich dem von mir gewählten Beruf zu widmen.
Beides oder alles ging irgendwie nicht.
Hinzu kam, dass ich aus einer eher armen, kinderreichen Familie kam und mit Schulden (BAföG) ins Berufsleben starten musste. Die wollten zurückgezahlt werden…
Aber immerhin gab es für mich armes Arbeiterkind schon die Möglichkeit, dass ich diesen Weg gehen konnte – Dank meiner SPD. Aber das ist eine andere Geschichte.
Kampf um Gleichberechtigung als Lebensziel
Da ich in meinem Umfeld immer wieder Gleichberechtigung und Gleichbehandlung eingefordert habe, aber oftmals leider auch einfordern musste, war ich neben der „roten Socke“ auch irgendwie „die Emanze“ und „komisch, anstrengend, kompliziert“. Das war nicht immer einfach und sicher nicht immer nett gemeint.
Diese und andere Grenzüberschreitungen habe ich erfahren müssen.
Ich habe als junge Frau nicht so reagiert, wie es die Überschreitenden verdient hätten, was vielleicht auch meiner inneren Zerrissenheit geschuldet war.
Anna Lena Brandt: Meine Mutter musste auf Vieles verzichten
Ich bin 1986 als einziges Mädchen unter vier Geschwistern geboren. Da ich mit drei Jungs aufgewachsen bin, und später im Fußballverein auch fast nur mit Jungs zu tun hatte, konnte ich mich dort immer ganz gut durchsetzen und ich habe „Gleichberechtigung“ lange nicht als Thema wahrgenommen, welches mich direkt betrifft. Ich war immer der Meinung, dieselben Chancen und Möglichkeiten wie meine männlichen Wegbegleiter zu haben. In meiner Generation war es, im Gegensatz zu der meiner Mutter normal, dass auch Mädchen Abitur machen und studieren gehen, dass Mädchen Fußballspielen und auch, dass Frauen in von Männern dominierten Berufszweigen arbeiten, ist, vielfach nichts Außergewöhnliches mehr.
Erst im Berufsleben wurde Ungleichheit ein Thema
Aufgefallen sind mir Unterschiede deutlich erst dann, als ich nach meinem dualen Studium einen Job gesucht habe. Man konnte immer sehr deutlich spüren, dass man für Arbeitgeber ein gewisses Risiko ist, solange man im gebärfähigen Alter ist. Manches Mal wurde daraus nicht mal ein Geheimnis gemacht und lieber der gleichaltrige Mann für den Job genommen. Man könnte ja schwanger werden und ausfallen. Eine enorme Benachteiligung, die ich häufig erfahren musste. Da wundert es mich nicht, dass Frauen schwierig in Führungspositionen kommen, wenn es schon schwer ist, überhaupt einen Vollzeitjob zu bekommen, wenn man sich in einem gewissen Alter befindet.
Ungleichheit am Beispiel meiner Mutter
Heute werden mir viele Ungerechtigkeiten am Beispiel meiner Mutter immer wieder bewusst (Jahrgang 1956). Meine Mutter ist während Ihres Studiums schwanger geworden. Sie hat das Studium dann abgebrochen, uns bekommen und war lange Zeit Hausfrau und Mutter. Der Lohn meines Vaters (Schlosser) reichte immer aus und meine Mama hat sich mit Herz und Seele um uns gekümmert. Eine wunderschöne Kindheit für uns, aber ich bin mir sicher, Sie hätte auch gerne Ihr Geschichts- und Theologiestudium beendet und einen tollen Job gefunden. Es war zu Ihrer Zeit nämlich etwas sehr besonderes, als Mädchen studieren zu können. Uns zuliebe hat sie aber zurückgesteckt, wie es wohl sehr viele Frauen tun, wie es letztlich auch von Frauen erwartet wird. Das ging gut, bis mein Vater nach 33 Jahren im selben Betrieb aus betriebsbedingten Gründen arbeitslos wurde. Meine Mutter begann eine Ausbildung zur Bürokauffrau in einer speziellen Maßnahme für „Frauen nach der Familienphase“ (hieß wirklich so und wurde kurz darauf eingestampft. Für Sie war es aber eine große Chance). Anschließend begann Sie, in dem Beruf zu arbeiten. Zunächst in Teilzeit, weil mein Papa dann auch einen neuen Job gefunden hatte, je älter wir wurden, umso mehr Stunden konnte Sie arbeiten. Heute steht sie kurz vor der Rente, einer Rente, die den Namen eigentlich nicht verdient. Ein großes Problem, was mehrheitlich Frauen betrifft und auch zukünftig hauptsächlich Frauen betreffen wird: Altersarmut. Hier muss sich politisch noch sehr viel ändern, aber auch gesellschaftlich müssen unsere Rollenbilder dringend überdacht werden. Care-Arbeit muss in allen Bereichen viel gerechter auf Männer und Frauen verteilt werden.
Elisa Bach: Politisches Ehrenamt und Mutter sein ist ein Kraftakt!
Ich wurde als sogenanntes „Sandwichkind“ 1989 in Neheim (Arnsberg) geboren. Meine Mutter, gelernte Friseurin, übernahm dabei ausschließlich die Rolle der „Hausfrau“ und kümmerte sich um uns Kinder, mein Vater, Stuckateur, war dagegen den ganzen Tag „malochen“.
Schon in meiner Realschulzeit war mir schnell bewusst, dass diese klassische Rollenaufteilung für mich später nicht in Frage käme. Mein Abitur machte ich auf einem Berufskolleg, zusammen mit vierundzwanzig anderen jungen Frauen und Männern. Das Besondere an unserer Abiklasse war, dass wir, bis auf eine Ausnahme, alle Arbeiterkinder waren. Zu diesem Zeitpunkt habe ich das allerdings gar nicht als Besonderheit wahrgenommen, sondern erst während einer Einführungsvorlesung an der Uni zu Beginn meines Lehramtsstudiums. Dort forderte der Dozent auf, dass sich alle StudentInnen ohne akademischen Elternteil erheben sollen. Von 350 StudentInnen standen nicht einmal 50 auf.
Dies machte mir bewusst, dass ich als Arbeiterkind noch immer eine Ausnahme an der Uni war, als Frau fühlte ich mich allerdings nicht benachteiligt.
Es war mein Mann, der sich dumme Sprüche anhören musste
Richtige Benachteiligung im Arbeitsleben spüre ich erst, seitdem ich Kinder habe, aber weniger mir gegenüber (Dank meines verständnisvollen Schulleiters und meiner tollen KollegInnen), als gegenüber meinem Mann, der während seiner Elternteilzeit jede Menge doofe Sprüche und Druck von Vorgesetzten ertragen musste und dem letztendlich ein Positionswechsel mit größeren Gehaltseinbußen „nahegelegt“ wurde, so dass er sich einen neuen Job suchen musste.
Muttersein ist in der Kommunalpolitik nur schwer möglich
Eine große Benachteiligung für mich als Frau erfahre ich jedoch in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Stadträtin.
Seit zwei Jahren bin ich nun im Stadtrat der Stadt Arnsberg tätig und es macht mir unglaublich Spaß. Allerdings habe ich immer wieder große Probleme eine Betreuung für unsere Kinder zu finden, da die meisten Sitzungszeiten spätnachmittags sind und oftmals sogar noch Vorgespräche geführt werden müssen. Ich hätte einen Anspruch darauf, für diese Zeiten von meinem Arbeitgeber freigestellt zu werden, mein Mann jedoch hat diesen Anspruch nicht und muss in der Regel zu den Zeiten noch arbeiten. Eine Fremdbetreuung kommt nicht in Frage (da wir ein autistisches Kind haben) und müsste auch erstmal gefunden werden. So muss mein Mann oft stundenweise Urlaub nehmen (sein Arbeitgeber und seine Kollegen sind wenig begeistert) und ich hetze auf den letzten Drücker zu den Sitzungen.
Wir sind nur wenige Frauen im Stadtrat, noch weniger haben kleine Kinder. Familienfreundliche Zeiten, beispielsweise in den Abendstunden würden schon enorm helfen, werden aber mehrheitlich abgelehnt – da der Großteil des Rates männlich und schon älter ist und keine Kinder oder bereits erwachsene Kinder hat.
Auch ein Streaming der Sitzungen würde vielen interessierten Frauen in ähnlichen Situationen helfen, so dass diese die Sitzungen von Zuhause aus verfolgen könnten.
Dass dann die Sitzungen auch noch auf Tage wie St. Martin, Nikolaus etc. fallen, ist für mich als Mutter doppelt schwer. Verweigere ich meinen Kindern diese Feste im Kindergarten und ziehe mir zusätzlich den Unmut anderer Eltern zu, weil ich mit meinen Kindern an keinen Kindergartenaktivitäten teilnehme? Oder sage ich stattdessen die (wichtigen) Sitzungen ab und mache mich bei meinen ParteigenossInnen unbeliebt? Und so sitze ich immer wieder zwischen den Stühlen und versuche, allen gerecht zu werden …
Heute sollte es selbstverständlich sein, dass sich die Eltern die Elternzeit und Carearbeit gleichberechtigt aufteilen können und familienfreundliche, flexible Arbeitszeiten werden auch in der Politik immer wieder gefordert – die Realität sieht aber ganz anders aus, insbesondere auch beim Ehrenamt.